06:30 Uhr, im Juni. Alles ist still (bis auf die Enten, die Stare, Amseln, Spatzen und Meisen, die Tauben, die Frösche, die Schafe, die Kühe, die Rehböcke, die Hühner und die Hunde.) Okay, fast alles ist still, der Tag hat gerade begonnen für mich und ich gehe raus mit der Kamera, die Katzen gehen mit. Die Luft ist frisch und kühl und im Gras glitzert der Tau. Der Himmel ist so blau und wolkenlos, dass die Augen vergeblich nach etwas suchen, woran sie sich stören können.
Zur nächsten Sushi-Bar sind es 75 Kilometer, nach Hamburg City über 80. Das nächste Krankenhaus liegt 25 Kilometer entfernt und von einem Pizzadienst träumt man hier draußen ab und an. So, wie von allem anderen typisch Urbanen, dem Coffee to go, der gut sortieren Salattheke zur Selbstbedienung, von Menschen die wissen, wer oder was Carpaccio ist und wie man Vitello Tonnato macht.
Kinos, Theater, Musik- und Kneipenszene, lebendige Jugendkultur – all das ist hier draußen auf’m platten Land Fehlanzeige, und an manches davon hab ich heute Morgen gedacht, als ich mit der Kamera in der Hand auf einem abgesägten Eschenstumpf im Garten stand, mich um die eigene Achse drehte, den Auslöser drückte und in einem Anfall spontaner Bewegungsfreude den „Tanzenden Panda gab (frei nach Tschigongdiepong).
Ein Leben könnte kaum unterschiedlicher ausfallen, als in Berlin Mitte in der fünften Etage eines Altbaus, mit dem Fahrrad durchs Brandenburger Tor in die Friedrichstraße zur Arbeit und dort zwischen Dussmann und Opel, Maritim und Bahnhof den Tag verbracht zu haben und meiner morgendlichen Übung auf dem Holz, in dem Garten, in diesem kleinen Kaff am Rande der Vergessenheit. Und doch ist es meins, das eine wie das andere. Und nie – nie wieder – möchte ich im Mief einer großen Stadt auf das Wochenende zählen, an dem ich mich aufs Rad schwinge, um nach einer 17-Kilometer-Tour im Pulk mit all den anderen am Wannsee zu landen und vergeblich nach frischer Luft zu schnappen.
Pizza kann ich selbst, Sushi auch, Krankheiten sind Mist auf dem Land und in der Stadt auch und Carpaccio wird sowieso überbewertet.
Aber: Mal das eine und nun das andere Leben leben zu dürfen, das ist toll. Und im Vergleich mit Metropolen wie New York, Peking oder Rio ist ja Berlin letztlich auch nur ein Kaff. Oder einfach viele, von denen eines ans andere grenzt.
Mit meinem kleinen Gedankenausflug möchte ich vieles nur das eine nicht: Den Stadtmenschen die Stadt aus- und das Land einreden. Nur für mich ist klar: In jeder Stadt bin ich wie das Alpenveilchen im Topf, das von Fensterbank zu Fensterbank geschoben wird in der Hoffnung, ein besseres Plätzchen würde wieder Leben ins Grau der welkenden Blätter bringen.
rininininininininDER
brüllüllüllüllüllüllüllüllEN
schweineineineineineineineinE
grununununununununZEN
hununununununununDE
bellellellellellellellellEN
katatatatatatatatZEN
miauiauiauiauiauiauiauiauEN
katatatatatatatatER
schnurrurrurrurrurrurrurrurrEN
gänänänänänänänänSE
schnattattattattattattattattERN
ziegiegiegiegiegiegiegiegEN
meckeckeckeckeckeckeckeckERN
bienienienienienienienienEN
summummummummummummummummEN
grillillillillillillillillEN
ziriririririririrPEN
fröschöschöschöschöschöschöschöschE
quakakakakakakakakEN
hummummummummummummummummELN
brummummummummummummummummEN
vögögögögögögögögEL
zwitschitschitschitschitschitschitschitschERN
(Ernst Jandl)
Als Landei mit städtischer Prägung, die auf dem Land lebt, passt dein wundervoller, amüsanter Text auch zu meinem Leben. Garten, Hund und Katze fehlt…hat die Nachbarschaft. Herzliche Grüße Erika
Bin hin und weg von den Fotos. Danke dafür 🙂
Herrlich – endlich wieder mal einen Blog-Beitrag! 🙂 In Deinen Zeilen und mit den schönen naturnahen Fotos fühle ich mich gleich zuhause….
Wieder die wunderschönsten Bilder, warmes Licht, schöner Text wir sind ganz nah dran.
Herzlichst,
Angela